Mein lieber junger Freund…

……., Du hast im Sommer das Spiel mit den Kugeln in Frankreich kennengelernt, hast Dich anfixen lassen. Du hast noch an Ort und Stelle Kugeln gekauft, geduldige ältere Herren haben Dich ein wenig mitspielen lassen. Dann bist Du zurückgekommen, hast in Deiner Stadt schnell einen Bouleplatz gefunden und ein paar nette Leute, die gesehen haben, dass Du mit den Kugeln nicht ungeschickt bist. Sie haben Dir auch gezeigt, dass es noch etwas anderes als Rollen gibt. Und haben Dir sogar geraten, bei Deinen Schussversuchen den Daumen nicht gerade an der Kugel unterzubringen. Das ist alles richtig, aber beileibe nicht alles. Sie haben Dir noch nicht klar gemacht, dass ein interessantes und spannendes Spiel von etwas anderem lebt – dem Reden, dem Gespräch, der Kommunikation.

Keine Sorge, es lässt sich lernen.

Wenn Deine Kugel ganz woanders als geplant hineilt, sagst Du leicht vorwurfsvoll „Die hat den Effet nicht angenommen“. Eine gewisse Kennerschaft verrät auch die Bemerkung „Der Boden hier ist unehrlich“. Kugeln, zwei Meter zu kurz oder zu lang, dürfen keinesfalls unkommentiert bleiben. Im ersten Fall reicht ein zufriedenes „Die wird nicht geschossen“, im zweiten macht ein „Da haben wir schon mal eine taktische“ dem Gegner klar, dass Ihr ganz gerissene Burschen seid. Noch gerissener allerdings ist es, eine Kugel 1,5 Meter vor die Sau zu platzieren. Denn das ist eine „Karrierekugel“ und wird mit großer Sicherheit zum Schluss den Punkt machen. Wenn Ihr aber selbst so eine Kugel schießt und die Schuss-Kugel im benachbarten Spiel nahe der dortigen Sau liegen bleibt, knurrst Du nur knapp „Mit Punkt“. Da lachen dann alle so unmäßig, dass keiner das mäkelnde „Könnt Ihr nicht abdecken?“ hört.

Überhaupt, die Schüsse! Ohne Deine sachkundigen Bemerkungen würde jeder einschlafen. Zur Erhöhung der Spannung sagst Du am besten „Leg erst mal eine!“ Wenn die dann 30 cm zu lang ist, schießt Du dann, weil Du ja kein Hasenfuß bist. Und da gerade Dein Tag ist, triffst Du zwar die gerade gelegte des Partners, Dein wunderschönes Retro bleibt aber devant vor der gegnerischen liegen. Weil Dir das nicht alle Tage gelingt, sagst Du zu Deinen Mitspielern leise, aber unüberhörbar „Wie besprochen“. Ein fairer Gegner wird mit „Kann man so machen“ kontern. Stell Dir die Situation mal ohne Kommentare vor…es geht doch (meistens) nicht um eine Beerdigung, nein, solche munteren Reden bringen erst den Pfeffer in die niveauvolle Partie. Und ohne Deine sachkundigen Kommentare würden die vielen Zuschauer rein gar nichts verstehen. Und wenn Du dann so weit bist, dass Du einen Flachschuss auf die eigene Kugel machst, weil dahinter eine gegnerische presse liegt, musst Du „Physik“ sagen. Und so einem Eisen-Einstein sind dann noch ganz andere Kunststücke zuzutrauen.

Etwas gehobene Bildung und Kenntnis der alten Fassbinder-Filme einfließen zu lassen, kann schlichtere Gegner völlig kirre machen. Will der gegnerische Schießer nicht so recht an einen gefährlichen Schuss ran, lässt Du ein „Angst essen Seele auf“ fallen und das Ergebnis wird verheerend sein. Das musst Du dann nur noch durch ein mitleidsvolles „Sag ich doch“ abrunden.

Über ein „Zwölferloch“ kannst Du ja immerhin schon schmunzeln. Damit kann Dich inzwischen kein Gegner verunsichern. Es ist aber sehr wichtig, jetzt selbst etwas Geistreiches zu sagen: „Dreizehn liegt“ ist das mindeste. Da Du aber das wunderbare Spiel nicht auf der Zockerschule am Ammersee gelernt hast, sondern im Herzen der Provence, lässt ein „C´est la treize, Marie-Thérèse“ den unglücklichen Gegner vor Ehrfurcht erstarren.

Nach dem Spiel werden die Gespräche natürlich noch lebendiger. Warst Du der Leger und hast aber einmal schießen müssen (und getroffen), musst Du unbedingt den Freunden, die das Spiel nicht verfolgen konnten, selbst über Dich staunend, die hundertprozentige Trefferquote mitteilen. Und wenn Du dann die Cracks fragst, wir ihr Spiel denn so gelaufen sei, weißt Du sofort Bescheid, wenn sie „Ist zum Schluss etwas eng geworden“ sagen. Jaja, Du hast auch schon mal 1:13 gegen sie verloren. Aber dass man das auch so bescheiden formulieren kann… Und jetzt viel Spaß, tu Gutes, und vor allem: sprich darüber!