Als ich Peter Szymanowski…

….das letzte mal gesehen habe, war das schon an seiner letzten Adresse: dem Hospiz im St. Augustinus-Krankenhaus in Düren.

Als wir ankamen, war er gar nicht da. Die Stations-Schwester sagte uns, er sei zur Bestrahlung in Birkesdorf. Er sei noch beweglich, mit dem Rollator könne er mit uns in die Cafeteria draußen fahren. Als er kurz darauf wieder da war, fand er auch gleich, das sei eine gute Idee. Er genehmigte sich dann draußen ein Bier und rauchte zwei Zigaretten. „Das macht jetzt auch nichts mehr“, sagte er.

Die Schwester hatte schon durchblicken lassen, dass Peter dieses Hospiz wohl nicht mehr verlassen würde. Zu weit fortgeschritten sei der Tumor im Gehirn. Ob ihm das selber so klar war, weiß ich nicht. Über den Todhaben wir natürlich nicht gesprochen. Im Gegenteil, er war  immer auf der Suche nach etwas, das ihm helfen noch könnte. Es gebe da so einen Akupunkteur in Mechernich, von dem wahre Wunder berichtet würden. Leider mache der gar keine Hausbesuche.

Geklagt hat er überhaupt nicht. Aber wehmütig festgestellt: „Alles, was mir Spaß macht, geht nicht mehr: Boulespielen, Tango tanzen – und mit dem Akkordeon haut´s auch nicht mehr hin.“

Vor einigen Wochen hätte er einmal ausprobiert, wie weit er noch mit dem Fahrrad käme. Einen Kilometer etwa sei es gutgegangen, wenn auch wacklig. Dann habe er einen Blackout gehabt. Und nachher übel ausgesehen. Eine Blutprobe habe er der Polizei aber ausreden können.

Das passt wunderbar zu Peter: nicht mehr alleine gehen können, aber fahrradfahren.

So konnte er auch beim Spiel mit den Kugeln sein. Einfach eine Kugel sauber entsorgen – das zu wäre zu einfach gewesen. Da hatte die getroffene Kugel gleich eine weitere herauszukontern. Und die Schusskugel hatte liegenzubleiben. Am besten als Devant-Kugel.

Manchmal, ganz selten, hat er das sogar hingekriegt. Und er hat es nicht übelgenommen, wenn die hier beschriebene Schuss-Technik als „Szymanowski-Schere“ zum Synonym für das eigentlich nicht machbare im Pétanque-Spiel geworden ist. Jedenfalls nicht für unsereiner.

Peter hat einige Jahre als Mitglied  im BC Köln gespielt, bevor er nach Euskirchen und Krauthausen weitergezogen ist. Wenn wir früher zusammen gespielt haben, musste ich ihn manchmal bitten, einen hundsnormalen Punkt zu machen. Es müsste auch kein superhohes Hochportée sein. Einfach nur in die Nähe der Sau.

Heute frage ich mich: wer wird sich später einmal an einen Spieler erinnern, der immer nur das Naheliegende anpeilt, nullachtfuffzehn und nach Lehrbuch?

Man muss doch auch träumen können. Gerade, wenn es nur ein Spiel ist.

In der Nacht vom Mittwoch auf Donnerstag vergangener Woche ist Peter Szymanowski im Hospiz eingeschlafen und nicht mehr aufgewacht. Er ist nur 59 Jahre alt geworden.

Georg Ossenbach

 

Foto: Christian Kunz