Gerhard kümmert sich. In diesem Fall um ein Turnier in Nippes.
Da fallen einem spontan ein Haufen Gründe ein, warum das eine gute Idee ist.
Zum Glück hat Scholti dazu einen Flyer gemacht, auf dem alle Infos knackig zusammengefasst sind. Also: wer Zeit hat – Hin da!
Wer sich auch gekümmert hat, ist der Jürgen. Spannende Lektüre! Allemal für die Generation U60. Wusste ich nicht, hab ich was gelernt.
Der Text begleitet das Anliegen von Gerhard ganz exquisit.
Vielen Dank für`s zusammentragen und Aufschreiben Jürgen! Gefällt mir.
Liebe Freunde des Turniers „Kein Boule den Rassisten“,
Eine Frage erreicht uns immer wieder: Was bewegt eigentlich die Kölner Boule-Vereine, ein Turnier gegen Rassisten und Nazis zu veranstalten? Frei nach dem Motto „Wehret den Anfängen“ gibt es darauf viele gute Antworten. Aber konkrete Bezugspunkte aus unserer eigenen Historie fehlen oft, weil viele Informationen verschüttet oder vergessen wurden. Ich bin deshalb mal tief in die Archive hinabgestiegen und habe mein Halbwissen aufgefrischt. Ergebnis: Es gibt durchaus Verbindungen zwischen dem Boulespielen in Köln und den ersten politischen Bewegungen gegen Rassisten und Faschisten. Vor allem in seiner embryonalen Phase steckte der Vorläufer des ersten Kölner Clubs, des BC Köln, direkt und indirekt mitten in solchen politischen Auseinandersetzungen. Hier im Zeitraffer ein paar Ereignisse, die aus alten Berichten des Kölner Stadt-Anzeigers, Chroniken einiger Veedels-Webseiten, Wikipedia-Einträgen und meiner eignen Erinnerung stammen:
Der Reihe nach: Die wichtigste Keimzelle des Boulespielens in Köln ist der Friedenspark in der Südstadt. Irgendwann Anfang der Achtzigerjahre, also vor rund 40 Jahren, traf sich zum ersten Mal eine Gruppe frankophiler Kölner, um an der Festung Fort 1 und in seinem wunderschönen terrassenartig angelegten Park mit überwuchernden Mauern und Säulengängen Kugeln zu werfen. Zu den Pionieren gehörten Hartmut, Hermann, Thomas, Rudi, Wolfgang und ein paar andere, deren Namen mir nicht mehr einfallen. Es gab keinen „Vorsitzenden“ oder „Präsidenten“, weil die Gruppe traditionelle Vereinsstrukturen sowie die damit einhergehende Vereinsmeierei kategorisch ablehnte und sich deshalb auch Boulespielgemeinschaft nannte. Zwischen zehn und zwanzig Spieler aus allen Teilen Kölns trafen sich mehr oder weniger regelmäßig. Später wurde daraus der inzwischen sehr traditionsreiche Verein Boule Club Köln.
Diese anfangs sehr lockere Boule-Gruppe war ein nicht zu unterschätzender Teil der sehr lebhaften Geschichte des Friedensparks. Als 1985 der Hindenburgpark auf Betreiben der örtlichen Friedensinitiativen in Friedenspark umbenannt wurde, waren die Boulisten schon Stammgäste. Schon das regelmäßige Bespielen der Plätze und Wege rund um das Fort I reichte aus, um Einfluss darauf zu nehmen, wer diese schöne Kulisse für Aufmärsche nutzte. So ist es ein Verdienst der Boulespieler, dass die Veteranen aus dem zweiten Weltkrieg nicht mehr so ungestört ihre Heldentreffen am Volkstrauertag abhalten konnten. Den Anfang hatte die Bürgerinitiative Südliche Altstadt (BISA) beim Volkstrauertag im November 1971 gemacht. Sie war den Traditionsverbänden zuvorgekommen und hatte unter dem Motto „Kinderfest statt Heldenverehrung“ ein eigenes, angemeldetes Fest veranstaltet. Die nicht angemeldeten Kranzniederlegungen zum „Heldengedenktag“ wurden so verhindert. Gelegentlich fanden solche Treffen (mit Fackeln) noch heimlich in den Nachtstunden statt. Die Kriegsveteranen waren gezwungen auf die Nachtstunden auszuweichen, weil bis spät abends die Boulespieler:innen die Plätze rund um das Fort „besetzten“.
Bei den erzkonservativen und rechtsradikalen Kreisen in Köln entwickelte sich daraus ein neues Feindbild. Seit Ende der Siebzigerjahre kämpfte die BISA auch um den heute nicht mehr wegzudenkenden Bauspielplatz (Baui) im Friedenspark. Der „Baui“ wurde 1978 provisorisch in einem Pavillon neben dem Fort eröffnet. Als dieser Pavillon ein Jahr später niederbrannte, musste das noch junge Jugendzentrum in vier Container ausweichen. Die wurden 1984 durch einen Brandanschlag der neofaschistischen Wiking-Jugend (seit 1994 verboten) völlig zerstört. Die BISA ließ sich dadurch nicht einschüchtern. Im Jahr 1987 besetzten Betreuer und Kinder das Fort und bauten es zum Jugendzentrum um. Kurz darauf legalisierte die Bezirksvertretung die neue Unterkunft. Immer wieder haben Mitglieder und Kinder des „Baui“ an Demonstrationen teilgenommen – ob gegen Krieg oder gegen Sparpläne.
Ein Detail möchte ich an dieser Stelle hervorheben. Ohne die sehr engen und freundschaftlichen Verbindungen zur „Baui“-Initiative hätte auch das inzwischen legendäre Turnier „Sextet“ im Jahr 1989 gar nicht an den Start gehen können. Erst das Mitbenutzen der Toiletten und Räume im Fort I schuf dafür die Grundlagen. Der Kampf gegen Kriegsverherrlicher und Neofaschisten hat damit auch geholfen, das Boulespielen in Köln populär zu machen. Inzwischen hat das Sextet 33 Mal stattgefunden und ist mit über 400 Teilnehmern eines der größten Turniere in Deutschland. Der neue Spirit im Friedenspark hat auch dazu geführt, dass die Edelweißpiraten seit 2005 alljährlich dort ein gut besuchtes Festival veranstalten.
Noch ein kleines Detail, das bemerkenswert ist: Alle Teilnehmer, die zum Sextet anreisen, müssen den Hans-Abraham-Ochs-Weg nehmen. Der im Jahr 2002 umbenannte Fußweg erinnert an einen achtjährigen jüdischen Jungen, der 1936 in der Nähe des Parks von Mitgliedern der Hitlerjugend derart zusammengeschlagen wurde, das er später an den schweren Verletzungen verstarb. So eine grausame Tat wollen wir nicht noch einmal erleben.
Herzliche Grüße
Jürgen Berke
Bis 1999 Mitglied im BC Köln, danach Nippeser Boule Club