….Deutscher Vizemeister bei den „Veteranen“. Stane Kavcic, Helmut Heinemann und Karlheinz Riedner arbeiten sich beharrlich bis ins Finale der Deutschen Meisterschaft 55+ in Gründau (Hessen). Aber das Halbfinalspiel gegen Ibbenbüren, das zu aller Überraschung vorher schon die Mitfavoriten aus Berlin mit Boris Tsuroupa ausgeschaltet hatte, war krä¤ftezehrend. Die Niedersachsen Seeling, Asseier, Lünstedt sind schon lange fertig mit ihrem Halbfinalspiel, ruhen sich aus und warten entspannt auf dem Carrée d´Honneur auf den Gegner aus NRW Wilm, Benno, Reinhard oder Stane, Helmut, Karlheinz. Die letzteren haben dann also den NRW-Bruderkampf für sich entschieden und wirken ziemlich erledigt. Die Gesichtsfarbe hat sich langsam den dunkelroten Trikots angepasst, ob von zwei Tagen unablässiger Herbstsonne oder der Aufregung: das ist nicht mehr zu unterscheiden. Die selbst schon ausgeschiedenen Experten auf den Bänken sind sich einig. So ein Finale geht in aller Regel schnell über die Bühne. Sieger wird, wer noch in der Lage ist, sein Spiel in Normal-Niveau durchzuziehen. Und so kommt es dann auch.
Trotzdem: eine tolle Leistung der drei. Und auch der dritte Platz der Ibbenbürener ist mehr als beachtlich. Glückwunsch!
Rückblende: Bei der Landesmeisterschaft 55 +Â hatten wir einen hübschen dritten Platz herausgeholt: Luigi Ragusi aus Aachen, Wolfgang Plock vom Rathenauplatz und ich vom BC Köln. Und jetzt gingen die Vorbereitungen los für die erste Deutsche Meisterschaft in dieser Altersklasse. Drei Zimmer hatte ich schon lange vorher bestellt, ruhig gelegen, mit Blick auf einen Golfplatz. In Gründau gibt es nur zwei Gasthöfe, außerdem findet zeitgleich eine DM im Mehrkampf im Nachbarort statt. Und in Frankfurt ist die Automobilausstellung IAA, da ist in weitem Umkreis Bettennot. Aber nicht für uns.
Aber da ist noch diese lustige Sache mit der kategorisch geforderten einheitlichen Spielkleidung. Drei Herren aus drei Vereinen: da fallen Vereinstrikots schon mal aus! Ich erkläre trotzdem leichtsinnig, mich der Angelegenheit annehmen zu wollen. Ich werde doch irgendwo drei gleichfarbige T-Shirts auftreiben! Aber müssen es bei dem unbeständigen Septemberwetter nicht eher Sweater sein? Wolfgang ist 1,92 groß und verlangt XXL, Luigi ist 1,64 und möchte wegen seines Taillenumfangs XL, ich selbst bin mit XL sicher auch gut bedient. Und so beginnt eine frustrierende Tour durch Kaufhäuser, Sportgeschäfte und Textildiscounter: ist etwas einigermaßen praktisch und kleidsam, fehlt XXL. Ist etwas in den passenden Größen vorhanden, könnte auch eventuell den Modevorstellungen der anderen beiden Herren entsprechen, ist es nicht bezahlbar. Langsam verfluche ich die Professionalierungs-Tendenzen des DPV. Meine nur Doppelkopf spielende Ehefrau hält den Uniformierungswahn ohnehin für bekloppt – da ist keine Hilfe zu erwarten. Irgengwann ziehe ich die Notbremse – mein Trainingsrückstand wird immer eklatanter – und kaufe drei schwarze Westchen vom Grabbeltisch, 2 Euro das Stück. Soll jeder drunter anziehen, was er will! Wir fahren doch nicht zur Modenschau. Obwohl: sensible ältere Herren müssen sich in jeder Beziehung wohlfühlen, wenn sie sportliche Höchstleistungen abrufen wollen. Die mentale Einstellung entscheidet.
Am Samstagmorgen zeigt sich schnell, dass andere die Vorschrift „Einheitliche Spielkleidung“ weniger othodox gelöst haben. Boris Tsuroupa, gerade 55 geworden und mehrfacher Deutscher Meister von Triplette bis Tête, hat seine Berliner Riege altersgemäß ausstaffiert. Als es dann ernst wird, sind die Perücken allerdings schnell wieder verschwunden. Plötzlich tauchen unter den Jacken die roten Polohemden des Club Bouliste de Berlin auf. Am zweiten Tag auch noch in der grünen Version. Das allerdings hilft nicht. Die roten Teufel aus Ibbenbüren schicken die Favoriten zu 3 nach Berlin zurück. Überhaupt: die Favoriten! Die „ancien combattants“ von Düsseldorf sur place geraten im ersten Spiel an das BaWü-Team um Detlev Krieger und unter die Räder. Krieger war erst vor drei Jahren Deutscher Meister Doublette und gehört zu den Bundesliga-Siegern aus Mannheim. Und auch sein Teamkollege Christian Tanneur ist wahrlich ein alter Hase. Aber auch dieses Team ist bald aus dem Rennen. Sorglosigkeit in der Bekleidungsfrage?
Die konnte man Luigi, Wolfgang und mir nun gewiss nicht vorwerfen. Hatte ich doch kurz vor der Abreise aus Köln noch im Malerbedarf Köln drei Sweatshirts mit dem Aufdruck „Meisterbetrieb“ entdeckt, was mir für eine DM nicht unangemessen schien. Die Größe XXL hatte ich schnell noch für Luigi mithilfe von Waschmaschine und Trockner passend gemacht. Da konnte eigentlich nichts mehr schiefgehen…
Gewiss, wir hatten ein wunderschönes Wochende ohne eine einzige Wolke am Himmel. Aber. Aber…
Hatten wir noch am Freitag beim Testen der anspruchsvollen Spielfelder mitleidig den Klagen anderer Teilnehmer gelauscht, die zu ihren Absteigen bis zu 30 Kilometer fahren mussten, fanden wir dann am Samstag für das obige Gruppenbild nur mühsam ein Lächeln. In unserem tollen, ruhigen Hotel hatte am Abend zuvor ein rauschender Empfang für 300 IAA-Automobilzubehör-Lieferanten stattgefunden. Die warfen nach üppigem Büffet um Mitternacht die Disco an, kamen zum Rauchen und Plaudern auf den grobkiesigen Parkplatz vor unseren Zimmern und verließen den Event – alle 300 immer schön einzeln – so bis fünf Uhr in der Frühe.
Senile Bettflucht mag ja ein Thema sein bei Menschen über 55. Aber so hatten wir uns das bei unserer gewissenhaften Meisterschafts-Vorbereitung nicht vorgestellt. Hundemüde und zerknittert auf dem Platz, aber topfit im Outfit. Da blieb nach insgesamt drei Siegen nur der 5. Platz im B-Turnier.
Die Experten auf den Endspiel-Bänken waren allerdings mehrheitlich der Meinung, fehlender Nachtschlaf gehöre zu den ältesten Ausreden, die sie auf Meisterschaften und Turnieren je gehört hätten.
Nun, ich bin der Meinung, auch Experten können irren. Nächstes Jahr reservieren wir rechtzeitig im nächstgelegenen Schlaflabor. Und vergessen diese einheitliche Spielkleidung. Notfalls laufen wir im Pyjama auf.
Georg Ossenbach